Mein Kumpel Labby, Lehrer unter anderem für Politik, erzählte mir neulich dies:
Zusammen mit einem jungen Kollegen bereitet er in jedem Schuljahr eine Unterrichtseinheit über den israelisch-palästinensischen Konflikt vor. Bei der Gelegenheit bemerkte der Junglehrer: ?Das werde ich wohl noch bis zu meiner Pensionierung machen.?
So sieht’s aus. Aber eigentlich ja noch schlimmer. Denn während die Schuldienstzeit des Nachwuchslehrers, sagen wir, noch 40 Jahre dauert, kann man sich ein Ende dieser Todfeindschaft im Nahen Osten nicht einmal in diesem Zeitraum vorstellen. Vielleicht nicht mal in einem Jahrhundert.
Denn WIE soll es je eine Lösung geben? Wenn man das Ganze mal auf vier Hauptprobleme runterbricht, sieht das etwa so aus:
1. Die Flüchtlinge
Seit Generationen leben hunderttausende von Palästinensern in Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon etc. Sie alle haben das Ziel, in ihre Heimat, sprich, das heutige Israel oder eins der verkrüppelten Gebilde, die sich ?autonome palästinensische Gebiete? nennen, zurückzukehren. Ersteres geht nur über Israels Leiche, und die letzteren sind nicht nur nicht lebensfähig, sondern bereits hoffnungslos überbevölkert. Die Rückkehr wird auf ewig ein Traum bleiben.
2. Das Wasser
Israel sitzt am Wasserhahn einer extrem trockenen Region und kann den Palästinensern nach Lust und Laune das kostbarste aller Güter abdrehen. Zusammen mit der sonstigen Abriegelung z.B. des Gaza-Streifens, der so zu einer Art Freiluft-Knast geworden ist, aber ebenso der des Westjordanlandes, ergibt sich ein Würgegriff, der die Palästinenser permanent unter Atemnot hält. Den zu lockern sind die Israelis nicht bereit, aus der Furcht heraus, ihren Gegnern so unter Umständen eine Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, die die eigene Existenz gefährdet. Das Misstrauen hat einen Reinheitsgehalt von
100 %.
3. Die Siedlungen
Seit Jahrzehnten unterläuft Israel alle internationalen Abmachungen und baut im Westjordanland immer neue, jüdische Siedlungen. So ist aus dem ?Palästinenserstaat? ein Flickenteppich geworden, dicht getupft von schwer geschützten, israelischen Enklaven. Man sehe sich mal eine Karte an.
Wie soll DAS jemals entwirrt werden? Und wie weltfremd mutet die Vorstellung an, dass diese Siedlungen je wieder aufgegeben werden? Auch Israel hat Bevölkerungsdruck und die Siedler selbst begreifen diese Gebiete schnell ebenso als Heimat wie den israelischen Kernstaat. Die Existenz dieser zahllosen Enklaven mit ihren eigenen, für Araber gesperrten Highways, Schutzzäunen etc. aber macht jede zusammenhängende Infrastruktur des Palästinenserstaats und damit ihn selbst unmöglich.
4. Jerusalem
Selbst wenn das Unerwartete einträte und es für die handfesten, physisch realen Probleme, die ich oben angeführt habe, eine Lösung gäbe, bliebe immer noch eines, das aus ganz anderem und viel dauerhafterem Stoff gemacht ist:
Der Religion. NIEMALS werden die Araber sich damit abfinden, dass IHRE heiligen Stätten in Jerusalem unter israelischer Kontrolle sind, und NIEMALS werden die Israelis den Anspruch auf IHRE heilige Stadt aufgeben.
Nach allem, was den Juden in den letzten zweitausend Jahren und besonders im letzten Jahrhundert geschehen ist, sollte man das Existenzrecht Israels ? und auch sein Recht auf Selbstverteidigung ? nicht in Frage stellen. Aber ebensowenig kann man sich der palästinensischen Forderung nach einer menschenwürdigen, unabhängigen Existenz verweigern.
Es ist tragisch und voll bitterer Ironie, dass sich in der jungen, israelischen Geschichte der Leidensweg der Juden in mancher Hinsicht seitenverkehrt spiegelt, indem sich die Israelis in der Region die Rolle eines ?Herrenvolks? zubilligen.
Das macht zynisch – so wie es die Hamas auch ist: Durch den permanenten Raketenbeschuss hat sie genau das erreicht, was sie erreichen wollte: Die übliche, völlig überzogene Reaktion Israels mit vielen zivilen Opfern. Das schafft internationale Wut und erhöht die Militanz der eigenen Leute. Und es sorgt für Nachwuchs. Fast 50 % der Gaza-Bevölkerung ist jünger als 25 Jahre und fast 100 % der jungen Männer haben keinerlei wirtschaftliche Perspektive. So wird der Strom an neuen Kämpfern nie versiegen.
Es ist der paradoxeste aller Kriege: Keiner kann ihn endgültig gewinnen, aber keiner kann ihn auch aufgeben, in dem Glauben, dass ein ?Schwäche-Zeigen? letztlich doch der Anfang vom Ende sein könnte. Der Krieg ernährt sich aus sich selbst.